„Und was macht man mal damit?” Kaum eine Person, die ein sprachwissenschaftliches Studium studiert, kennt diese Frage nicht. Dies liegt wohl auch daran, dass viele sprachwissenschaftliche Studien zu den Orchideenfächern gezählt werden. Wikipedia zählt zum Beispiel Sprechwissenschaft, Onomastik, Afrikanistik oder Keltologie zu den Orchideenfächern. Karrierebibel.de schreibt, dass „[e]in weiteres großes Feld [für Ochideenfächer] bieten etwa die Sprachwissenschaften.” Auf der gleichen Seite heißt es in Bezug auf Berufsaussichte dazu, dass „diese Fächer [häufig] auf eine wissenschaftliche Laufbahn ausgelegt [sind] und legen den Schwerpunkt auf die Forschung.” In Bezug auf Berufsaussichten resümiert die Seite studis-online.de, dass viele Berufsfelder denkbar sind, bleibt aber leider sehr unspezifisch.
Mit unserer Reihe „Und was macht man mal damit?” stellen wir euch Personen vor, die sprachwissenschaftliche Studien absolviert haben. Wir zeigen euch, warum sich diese Personen für ein sprachwissenschaftliches Studium entschieden haben und beantworten die Frage, was sie heute damit machen. Heute mit Viktor Martinović.
Warum hast du dich für ein Sprachstudium entschieden?
Ich wusste eigentlich relativ schnell, dass ich etwas mit Sprachen machen will. Nach der Matura war mir klar, dass ich studieren möchte. Ich wusste nur noch nicht was. Dann habe ich versucht, in mich hineinzuhören, mit dem Nachdenken aufzuhören und einfach zu beobachten, was sich herauskristallisiert. Das Resultat war dann eigentlich sehr klar und einfach: Ich wollte das studieren, womit ich mich am meisten identifizieren kann – und das waren Sprachen.
Sprachen und Mehrsprachigkeit haben mich mein ganzes Leben lang begleitet – ich bin ja auch dreisprachig aufgewachsen. Dann stellte sich nur noch die Frage, welche Sprache es werden sollte.
Zu Beginn fiel meine Wahl auf Russisch, was sich aber schnell als nicht zielführend für mich herausgestellt hat. Und so bin ich dann zur Finno-Ugristik gekommen. Ich hatte zuvor in Ungarn meine Matura abgeschlossen, kann die Sprache ganz gut und fühle mich damit wohl.
Was fasziniert dich an deinem Studium?
Das ist vielleicht eine unerwartete Antwort, aber das, was ich daran so toll finde, ist, dass es so nischig ist. Es forschen nur sehr wenige Leute zum selben Thema.
Wenn man z. B. Chantisch hernimmt – viele haben ja noch nie von der Sprache gehört – dann gibt es vielleicht zwei oder drei Menschen, die sich näher damit beschäftigt haben.
Gerade weil es so wenige machen, wird der eigene Beitrag und der Beitrag des Instituts gleich viel wichtiger und maßgeblicher. Und das motiviert!
Was machst du jetzt? Wie bist du dorthin gekommen? Was hat Linguistik mit deiner derzeitigen Arbeit zu tun?
Ich bin jetzt Software-Developer – und es ist irgendwie funny, wie ich zu dem Punkt gekommen bin. Ich habe meinen BA in Ungarisch gemacht. Mein Plan war dann eigentlich, mich an der Diplomatischen Akademie weiterzubilden – dafür braucht man einfach einen Bachelor. Die Aufnahmeprüfung habe ich aber zuerst nicht bestanden, also habe ich ein MA-Studium in Finno-Ugristik angefangen. Nach dem ersten MA-Jahr habe ich dann doch die Aufnahmeprüfung geschafft. Ich habe dann gleichzeitig den MA abgeschlossen und das Jahr an der Diplomatischen Akademie absolviert. Nach einem Praktikum im Außenministerium habe ich gemerkt, dass ich gerne wieder in die Wissenschaft zurückkehren möchte – und habe dann ein Doktorat in Finno-Ugristik begonnen.
Im Rahmen dessen habe ich angefangen, mich mit Computermethoden zu beschäftigen, obwohl ich eigentlich nie viel mit IT am Hut hatte. Das hat mir aber gut gefallen, und so habe ich schließlich einen Job in der IT-Branche gefunden, der mir sehr gefällt und viele Vorteile für mich bringt.
In meinem Job halte ich mit meinem Team ein virtuelles Kraftwerk instand. Wir entwickeln eine Software, um einzelne Energiequellen zu bündeln, sodass die Energie am Markt verkauft werden kann. Im Rahmen meines Doktorats habe ich mich viel mit Computermethoden beschäftigt und mir auch das Coden beigebracht. Ich hatte also die Freiheit, mich im Rahmen des Doktoratsstudiums so weiterzubilden, wie ich es für richtig gehalten habe – und dadurch habe ich auch den Job in der IT-Branche ergattert.
Was ist eine Sache, die du während deines Studiums gelernt hast und jetzt anwenden kannst?
Die Antwort liegt auf einer eher abstrakten Ebene. Ich habe gelernt, dass Fachbereiche, in denen nicht viele Menschen arbeiten, genauso komplex, wichtig und spannend sind wie so richtig große Felder wie die Mathematik oder Physik.
Ich habe eine Awareness dafür entwickelt, dass es wichtig ist, unterschiedliche Perspektiven einzubringen – und dass alle Denkweisen auf ihre eigene Art wichtig und richtig sind. Diese Diversität wertzuschätzen, ist etwas, das ich aus dem Studium mitgenommen habe.