An der ÖLT 2024 bei dem gemeinsamen Workshop von Emerging Linguists und verbal als Vortragende teilzunehmen, hätte sich wohl niemand von uns ungefähr ein halbes Jahr zuvor zum Zeitpunkt der Fertigstellung eines gemeinsamen Projekts gedacht.
Für die Übung „2024S 136038-1 Doing research with text Corpora“ (MA Digitale Geisteswisschenschaften, Universität Wien) bei Klaus Hofmann hatten wir nämlich mit dem akquirierten Wissen der Lehrveranstaltung ein R-Skript erstellt, um mittels quantitativer Korpusanalyse linguistische Merkmale von Märchen zu analysieren. Anhand von international etablierten linguistischen Parametern verglichen wir damit die Komplexität der Märchenliteratur von Hans Christian Andersen und den Brüdern Grimm. Zusätzlich führten wir (in RStudio) auch eine Sentimentanalyse mit unseren zwei Korpora durch. Mit zwei Forschungsfragen war die Intention unserer Arbeit, besser zu verstehen, wie sich unterschiedliche Motive in der Sprache der Autoren reflektieren.
- How does the language of the fairy tales by Hans Christian Andersen and by the Grimm brothers differ in linguistic complexity?
- How does the sentiment of the language of two of the most influential European authors of fairy tales reflect their varying motifs?
142 Märchen von Andersen sowie 209 Märchen von den Brüdern Grimm (eine Gesamtausgabe der bekannten Kinder- und Hausmärchen) konnten wir mittels Python aus dem Internet kompilieren, ohne viel Datenbereinigung durchführen zu müssen. Der Subkorpus der Textsammlung von Andersen enthält 389469 Tokens und 101086 Types. Der Subkorpus der Grimm-Texte besteht aus 322853 Tokens und 83070 Types. Das Textmaterial ist also nicht zur Gänze ausgeglichen und außerdem kann die aufmerksame LeserIn bemerken, dass von Andersen insgesamt zwar eine geringere Anzahl an Märchen in den Korpus integriert ist, die totale und relative Subkorpusgröße bei dem dänischen Autor jedoch trotzdem größer ist als bei den Brüdern Grimm. Warum wir den Korpus in dieser Art erstellt haben und zu welchen Ergebnissen wir schließlich mit unserer Arbeit gekommen sind, kann im Detail dem Projekt-Report entnommen werden. Die Resultate sind sicherlich auch für angehende LinguistInnen interessant, die sich bisher im Studium nicht mit Märchen beschäftigt haben. Uns ging es nämlich besonders auch darum, die Möglichkeiten der Korpusanalyse mit R auszuloten. Eine Komplexitäts- und Sentimentanalyse wäre in der Art unseres Skripts nämlich sicherlich auch auf Textmengen ganz anderer Domänen anwendbar.
Rückblickend – Annähernd – Vorausschauend. Dieser Trias ähnlich widmeten sich Manuel, Hannes und ich dem Vergleich zweier bekannter europäischer Varianten der Konzeption von Märchen. Und selbiger Ansatz galt beinahe wortwörtlich auch für den Workshop „Rückblicke und Ausblicke auf die Angewandte Linguistik in Österreich – eine gemeinsame Bestandsaufnahme von verbal und Emerging Linguists anlässlich des 30. Geburtstags von verbal“. Darum waren wir umso glücklicher, als wir zuerst von Klaus Hofmann von dem Workshop erfuhren und in späterer Folge auch von der Teilnahmebestätigung als Vortragende durch die Mitglieder von verbal und EL selbst. Die Workshop-Beiträge waren inhaltlich sehr vielfältig, sodass auch unser Projekt angenommen wurde. Die im Studium erworbenen digitalen Kompetenzen konnten wir im Fall unseres Projekts optimal zur Beantwortung unserer Forschungsfragen anwenden und genau das wollten wir auf der Tagung vermitteln.
Für alle drei war es das erste Mal, auf einer wissenschaftlichen Tagung vor dem Rednerpult zu stehen, und diese wertvolle Erfahrung werden wir uns gut in Erinnerung behalten. Edna und Sabine vom Verein verbal, sowie Laura und René von den Emerging Linguists haben den Workshop dermaßen gut und angenehm geleitet, dass wir die Präsentation gerne und ohne (allzu große) Furcht halten konnten. Der Raum, den der Workshop allen Anwesenden gab, war nicht nur groß und offen, sondern auch luftig und ohne Schwere – wie das Luftschloss an der Zimmerwand, das ein Gerüst für eine zeitgemäß fortschrittliche, inklusive Sprachwissenschaft repräsentieren soll.
Wir möchten uns bei den VeranstalterInnen, allen Vortragenden und Teilnehmenden herzlich bedanken. Wir hoffen auf weitere texthusiastische Zusammentreffen!
Repositorium: https://github.com/Eszettfors/grimm-andersen